Energietage in Bad Aibling
Die intelligente Vernetzung in Wohnungen und Gebäuden. Dazu müssen viele verschiedene Firmen über unterschiedliche Kommunikationswege kommunizieren. Der Bewohner kann dann alles über eine zentrale Steuereinheit, das Smart-Home-Gateway, steuern und kontrollieren.
Die neue Achtsamkeit des Wohnens und Bauens
Auf dem Weg in die Arbeit schnell per Smartphone den Saugroboter anstellen, auf dem Rückweg die Heizung auf die persönliche Wohlfühltemperatur hochfahren und mit den Küchengeräten kommunizieren, wann man zu Hause ist, damit sie rechtzeitig mit dem Kochen beginnen – das alles ist schon möglich in der neuen Smart-Home-Welt. Das Internet durchdringt inzwischen alle Lebensbereiche – auch das Bauen und Wohnen. Doch das Mehr an Komfort hat auch eine Kehrseite.
Das Wohnen in der Zukunft ist ein komplexes Thema. Es reicht vom demografischen Wandel über die Urbanisierung mit immer mehr Micro-Wohnungen, der digitalen Einsamkeit und der Kultur des Teilens bis hin zu immer komplexerer Technik. Wie sich diese zunehmende Digitalisierung genau auswirkt, wo die Chancen und die Risiken liegen, das untersuchten hochkarätige Referenten auf den 10. Energietagen in Bad Aibling unter der Moderation von Professor Timo Leukefeld von der TU Freiberg. Die Traditionsveranstaltung stand dieses Jahr unter dem Motto: „Smart Home – Digitales Wohnen der Zukunft“.
Jochen Töpfer, B&O Gesellschafter und vors. Geschäftsführer der B&O Wohnungswirtschaft GmbH Chemnitz sowie Baden-Württemberg und Bayern, und Initiator der Energietage, wählte dieses Thema bewusst, wie er in seinem Einführungsstatement unterstrich, da es zukünftig verstärkt auf die richtige Balance zwischen analoger und digitaler Welt ankomme. Mit der Frage: „Wie digital wollen wir wirklich wohnen?“ gab er den Auftakt zu dem spannenden Symposium.
Vieles ist machbar, was brauchen Menschen wirklich?
Die Smart Home Technik ist inzwischen ausgefeilt. Sie reicht von Steuerungen, Messgeräten, digitalen Schlüsseln und Verbindungstechnik bis hin zu digitaler Auswertung mittels dutzender Sensoren in den Räumen. Und dennoch: Das smarte Home tut sich in der Realität nicht so ganz leicht, denn unter einem gemütlichen Zuhause stellen sich die meisten von uns etwas anderes vor:
Wir wünschen uns einen Raum, der Sicherheit, Schutz und Geborgenheit gibt und wo wir zusammen sein können mit Menschen, die uns nahestehen.

„Wir leben aber auch in einer Zeit, in der sich der Ort, die Definition und unser Verständnis von Zuhause durch die neuen Rahmenbedingungen stark verändern“, erklärte die britische Trendforscherin Oona Horx-Strathern vom Zukunftsinstitut Frankfurt. Sie benannte in ihrem Vortrag den Zuhörern die wichtigsten Wohn- und Designtrends sowie ihre Gegentrends und präsentierte zukunftstaugliche Lösungen, um Wohnraum wieder leistbarer zu machen. Gleichzeitig warf sie auch einen kritischen Blick auf die Veränderungen der Wohn- und Lebensräume und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft.
In einer hypervernetzten, hochkomplexen Welt würden die Menschen, so Horx-Strathern, wieder einen Rückzugsort und gleichzeitig aber auch eine Gemeinschaft (Community) brauchen.
Das zeige der Trend zu Shared Spaces, wie Co-Living und Co-Working, Tiny-Living (kleine Wohnungen) und Neighbourhood Communities (Nachbarschafts-Initiativen) deutlich.
Gleichzeitig gäbe es auch eine immer stärkere Hinwendung zu einem Lebensgefühl, das die Skandinavier mit Hygge (Gemütlichkeit) umschreiben. Auch sensorische Erfahrungen würden wieder an Bedeutung gewinnen, so die Zukunftsforscherin. Die Konsequenz daraus: Natürliche Materialien, wie Holz, und eine neue Einfachheit erleben ein Comeback als Ausdruck einer Rückbesinnung auf das analog-reale Leben.
Trotz aller Digitalisierung wolle man ja zukünftig kein elektronischer Hausmeister in seiner Wohnung werden, so Horx-Strathern.

Bauen muss wieder einfacher werden
Und wie sieht es mit bezahlbarem Bauen aus? Auch hier gilt es achtsam zu agieren. „Einfach nur Wohnungen für die Massen zu errichten, ohne auf den Einfluss von Design, Qualität und die Auswirkungen von Architektur auf das Wohlbefinden der Bewohner zu achten, ist einer der Gründe, warum diese Orte oft soziale Brennpunkte sind“, warnte Horx-Strathern. Wie man kostengünstig und schnell anspruchsvolle und lebenswerte Wohnräume schaffen kann, zeigte sie anhand zahlreicher Beispiele. „Smart-Home-Systeme sind nicht aufgrund ihrer Technologie smart, sondern weil sie auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnittene Lösungen bieten“, lautet ihr Fazit.
Die Zeit drängt: Plattformen wollen in die Wohnungen
Genau an diesem Punkt setzte der Vortrag von Dr. Axel Viehweger, Vorstand des Verbandes sächsischer Wohnungsunternehmen, an. Er referierte unter dem Titel „Alexa, wechsle die Windeln – vom neuen, smarten Wohnen“ gewohnt fundiert über das technisch Mögliche und die Hürden bei der praktischen Umsetzung. Als Physiker sind ihm die technischen Möglichkeiten vertraut, doch aus seiner beruflichen Erfahrung als ehemaliger Bauminister und nun als Vorstand eines Verbandes mit 110 Genossenschaften ist er auch nah dran an der tatsächlichen Machbarkeit. Sein Credo: „Vieles ist möglich, entscheidend ist jedoch die richtige Kommunikation und das Verständnis, Probleme aus Mietersicht zu sehen.“ Grundvoraussetzung für das Digitalisierungsthema sei natürlich auch ein schnelles Internet. Dies sei in Sachsen noch nicht flächendeckend erreicht. Hier sieht er die Politik in der Pflicht. Viehweger trieb aber auch zur Eile. „Wir brauchen die Digitalisierung, Mieter-Apps und Dienstleitungen in unseren Wohnungen, denn wenn wir es nicht machen, machen es andere.“ Plattformen wie Google & Co. stünden schon längst in den Startlöchern, nur das langsame Internet hindere sie derzeit noch, so Viehweger. „Wir müssen die Hoheit über unsere Wohnungen behalten. Sie sind ein soziales Gut!“, so sein eindringlicher Appell an das Auditorium am Ende seiner Ausführungen.
Digitalisierung in der Praxis: Autonomes Fahren und magicplan
Daniel Tittel von der Freiberg Institut GmbH entführte die Zuhörer in die Welt der Technik und legte dabei den Schwerpunkt auf autonomes Fahren. Der Experte für Mobilitätslösungen am Freiberg Institut setzte dabei auch auf Praxiserfahrung und nahm das Auditorium mittels Videotechnik auf eine Testfahrt in einem autonomen Auto mit. Eine Zukunftsvision sei das nicht mehr, der Turning-Point (Wendepunkt) sei bereits 2023. Andreas Böhm, Geschäftsführer der Digitalsparte von B&O, zeigte anschließend mit der Applikation magicplan, wie das Bauen durch die Digitalisierung vereinfacht wird und an welchen Schnittstellen er und sein Team weiterarbeiten.
Wohnen ist mehr als Technik
Clevere Gebäude, intelligente Hausgeräte und futuristische Materialien – diese Themen treiben die Menschen schon lange an.
Auf der Suche nach dem Wohnhaus der Zukunft trafen sich bereits 1929 Visionäre aus halb Europa auf dem Architekturkongress Ciam in Frankfurt/Main – unter ihnen der Schweizer Architekt Le Corbusier und der Bauhaus-Gründer Walter Gropius. Für die wohl einflussreichsten Architekten des 20. Jahrhunderts stand bereits damals fest: Der Mensch braucht Raum, Wärme, Licht und Luft. Anstelle starrer Strukturen sollten Häuser flexibel sein und sich an die Bedürfnisse der Menschen anpassen.